Zahllos und unermesslich, wie Sandkörner in den großen Wüsten der Sahara und der Gobi, sind die Menschen von heute und alle, die vor uns gelebt haben. Wer sind sie? Wie sieht ihr Leben aus? Was sehen wir in ihren Seelen? Wenn wir die Weite des Unerforschlichen überblicken könnten, würden wir sehen, dass die große Mehrheit der Menschheit aus denjenigen besteht, die in der Heiligen Schrift "die Menschen der Erde" genannt werden. Warum werden sie mit diesem Namen bezeichnet? Weil das Hauptziel ihres Lebens und ihre Hauptanstrengungen auf die Erlangung irdischer Güter gerichtet sind, jener Güter, die sie von der materiellen Natur erhalten.
Sie sind entweder überhaupt nicht geistlich, oder ihr geistliches Leben ist nicht tief! Sie glauben entweder gar nicht an die Welt des Hl. Geistes oder schenken ihr wenig Beachtung.
Das sind die Menschen der Erde, das sind die Menschen der Vernunft, die nicht geistlich sind.
Das ist der größte Teil der Menschheit. Aber mit Angst und Seelenschmerz sehen wir auf der linken Flanke der Menschheit unvergleichlich schlimmere und sogar schreckliche Menschen. Wir sehen menschliche Schergen, menschliche Bestien, menschliche Abscheulichkeiten und sogar menschliche Bösewichte. Aber auf der rechten Flanke der Menschen der Erde sehen wir die Blüte und Herrlichkeit des Menschengeschlechts, jene gesegneten und von Gott geheiligten Menschen, die der große Johannes der Theologe die Kinder Gottes, die Freunde Christi nennt.
Mit ehrfürchtiger Hochachtung sehen wir die große Schar der Heiligen, die in der Finsternis der Welt wie die hellen Sterne Gottes am dunklen Himmel leuchten. Wir sehen eine Schar von Propheten und Aposteln, große Heilige und Hirten, die das Evangelium Christi verkündet und bestätigt haben.
Wir sehen eine große Schar von heiligen Märtyrern und Märtyrerinnen, großen Mönchen und Einsiedlern und solchen Menschen, die den Engeln Gottes gleichen.
Wie erlangten sie diese Heiligkeit, so ganz anders als die Menschen der Erde? Das erfahren wir aus den tief empfundenen Worten des Apostels Paulus, Worte, die niemand vor ihm sagen konnte.
Der Schrecken und die unermessliche Herrlichkeit des Kreuzes Christi erschütterten seine Seele so sehr, dass er die Welt vergaß und sagte: "Ich aber will mich allein des Kreuzes Jesu Christi, unseres Herrn, rühmen, durch das mir die Welt gekreuzigt ist und ich der Welt.", "Ich bin mit Christus gekreuzigt worden, und nicht mehr ich lebe, sondern Christus lebt in mir." (Gal 6,14; 2,19f.) Alle großen Heiligen könnten diese heiligen Worte über sich selbst wiederholen. Der Glaube an unsern Herrn Jesus Christus und die Liebe zu Ihm brannte hell in den Herzen der heiligen Märtyrer und gab ihnen die Kraft, die schrecklichsten Qualen und den furchtbarsten Tod zu ertragen.
Die Welt verlor ihre Anziehungskraft für die großen Asketen und Einsiedler, die Welt war für sie gekreuzigt. Es war für sie unerträglich, unter Menschen zu bleiben, die zu einem so unermesslichen Verbrechen fähig waren wie der Kreuzigung des Erlösers der Welt, des Sohnes Gottes; und sie zogen sich in Wüsten und undurchdringliche Wälder zurück, um dort in untrennbarer betender Gemeinschaft mit Gott zu leben.
Ihr Gebet war so tief wie das Meer und ergoss sich unaufhörlich Tag und Nacht.
Unser großer Mönch Seraphim von Sarow betete tausend Tage und Nächte lang im Wald auf einem flachen Stein kniend. Der Mönch Arsenij der Große stand von abends bis morgens mit zum Himmel erhobenen Händen in der Wüste und betete für die ganze Welt. Und selbst er wurde in der Kraft des Gebets noch von der ehrwürdigen Maria von Ägypten übertroffen.
Man könnte noch lange über andere große Asketen sprechen, derer diese Welt nicht würdig war.
An diesem ersten Sonntag nach Pfingsten feiert die Heilige Kirche das Gedenken aller Heiligen.
Warum wird dieses Fest begangen? Es gibt nur wenige Namen von Heiligen in den Kirchenverzeichnissen der Heiligen; es sind etwa 2000 Namen; aber es kann nicht sein, dass es so wenige Heilige gibt; es gibt mehr, sicherlich unermesslich mehr.
Im siebten Kapitel der Offenbarung des Johannes des Theologen lesen wir: "Danach sah ich: eine große Schar aus allen Nationen und Stämmen, Völkern und Sprachen; niemand konnte sie zählen. Sie standen in weißen Gewändern vor dem Thron und vor dem Lamm und trugen Palmzweige in den Händen. ... Es sind die, die aus der großen Bedrängnis kommen; sie haben ihre Gewänder gewaschen und im Blut des Lammes weiß gemacht." (Offb. 7, 9+14).
Dem Theologen Johannes wurde in dieser Vision eine unermessliche und unberechenbare Schar von Heiligen gezeigt, nicht die 2.000 Heiligen, deren Namen wir in den heiligen Büchern lesen.
Gott hat eine große Schar von Heiligen, zu deren Rettung der Urewige Sohn Gottes, der Erlöser der Welt, auf die Erde herabkam und aus der heiligen Jungfrau Maria Fleisch annahm.
Nur eine winzige Anzahl von Heiligen ist von der orthodoxen und der römisch-katholischen Kirche heiliggesprochen worden. Und all die vielen anderen Heiligen sind nur Gott bekannt, von dem wir sagen, dass er der einzige Versteher des menschlichen Herzens ist, "der einzige Herzenskenner". In Seinen alles sehenden Augen sind die einfachen und armen Menschen, die der Welt nichts bedeuten, groß und wertvoll, und sogar diejenigen, die von der Welt verachtet und verfolgt werden und jene, die die ganze Welt nicht wirklich verdient. Dieser erste Sonntag nach Pfingsten ist von der Kirche dem Gedenken an alle Heiligen gewidmet, sowohl an die, die der Kirche namentlich bekannt sind, als auch an die, die Gott allein bekannt sind.
Dieser Tag ist groß und heilig, und wir müssen ihn ehren, und sei es auch nur mit Bittgottesdiensten. Wir sollen zu allen Heiligen beten, die für uns bei Gott Fürsprache einlegen, damit auch wir Sünder wenigstens zu denen in den letzten Reihen gehören, die Gott, der Herr, begnadet hat, seine Kinder zu nennen, die wiedergeboren werden, nicht mehr "aus der Begierde des Fleisches, noch aus der Begierde des Mannes" (Joh 1,13), sondern aus Gott selbst und aus der unermesslichen Kraft des Evangeliums von Christus.
Möge dies auch mit uns allen geschehen! Amen!
1957