Predigt am 23. Sonntag n. Pfingsten (Lk 10, 25-37)

28. November 2021

Metropolit Antonij von Surosch

Ikone mit der Darstellung des Gleichnisses vom barmherzigen Samariter

Ikone mit der Darstellung des Gleichnisses vom barmherzigen Samariter

Im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes.

Das heutige Evangelium enthält in Kurzform alles, was der Weg des Christen ist. Das erste Gebot ist, dass wir unseren Gott mit ganzem Herzen, mit ganzem Verstand, mit ganzer Kraft, mit unserem ganzen Sein lieben sollen und unseren Nächsten wie uns selbst. Lieben heißt, all das vorziehen, was dem geliebten Menschen lieb ist. Gott zu lieben bedeutet, dass wir leben und tatsächlich so sein müssen, dass Er sich über das freuen kann, was wir sind, dass ihm in unserem Leben nichts fremd ist.

Nun kommt das zweite Gebot, das der Schriftgelehrte nicht verstanden hat: Wir sollen unseren Nächsten lieben wie uns selbst. Unseren Nächsten wieder zu lieben, uns selbst zu vergessen. Sehr oft denken wir, dass wir würdige Christen sind, wenn wir das Gefühl von Wärme in unseren Herzen verspüren und meinen, Gott zu lieben. Das reicht aber nicht. Der Test für diese Liebe besteht darin, Gottes eigene Liebe für jeden unserer Nächsten zu teilen. Ich erinnere mich an einen traurigen Moment in meinem Leben, als mein Vater mich fragte, was der Traum meines Lebens wäre? Damals war ich jung und sagte: "Mit Gott allein sein." Und er sah mich traurig an und sagte: "Du hast noch nicht begonnen, Christ zu sein." Denn wenn wir Gott lieben, müssen wir alle seine Sorgen für die ganze Welt und für jeden Menschen in dieser Welt mit Ihm teilen.

Nehmen wir deshalb dieses kurze Ereignis im Leben Christi und das Gleichnis als Maßstab. Wir werden niemals wissen können, wie sehr wir Gott lieben. Es ist schwierig, weil es so leicht ist, sich selbst zu täuschen. Selbst wenn wir sagen, dass wir jemanden lieben, kann ein Moment eintreten, in dem Selbstsucht, Gleichgültigkeit und Streit unserer gegenseitigen Freundschaft und Verbundenheit zumindest zeitweise ein Ende setzen. Es gibt jedoch ein objektives Kriterium. Wie behandelst du deinen Nachbarn? Was bedeutet er für dich? Wenn er dir nichts bedeutet, wenn er ein zufällig Vorbeikommender ist, wenn er nur jemand ist, der unseren Weg kreuzt oder wenn er jemand ist, auf den du achtest, wenn du in der richtigen Stimmung bist, dann haben wir noch nicht begonnen, Gott zu lieben und die Welt zusammen mit Ihm. Denken wir also darüber nach, stellen wir uns selbst die angemessenen Fragen und richten wir unser Leben neu aus. Amen.

30. November 1997

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