Das zweiteilige Jugendwerk des hl. Athanasios „Gegen die Heiden“ (κατὰ Ἑλλήνων - contra gentes) und „Über die Menschwerdung des Wortes und dessen leibliche Erscheinung unter uns“ (περὶ τῆς ἐνανθρωπήσεως τοῦ λόγου καὶ τῆς διὰ σώματος πρὸς ἡμᾶς ἐπιφανείας αὐτοῦ - de incarnatione Verbi) ist eine Apologie des Christentums gegen das Heidentum und Judentum. In der ersten Schrift wird das Heidentum in seiner Verkommenheit und Torheit bloßgestellt und verurteilt und dem heidnischen Götzenwahn gegenüber der christliche Monotheismus als allein vernünftig und heilsnotwendig begründet. Im zweiten Teilwerk wird das christliche Mysterium des Heils in der „Menschwerdung des Wortes“ erläutert, als vernunftgerecht dargelegt und gegen heidnische und jüdische Einwände verteidigt.
Zwar kann man beide Schriften als ein Werk ansehen und behandeln, dazu berechtigen ihre gegenseitigen formellen und inhaltlichen Beziehungen: „Über die Menschwerdung“ stellt im ersten Kapitel ausdrücklich die Überleitung vom ersten zum zweiten Buch her und gibt außerdem wiederholt ähnliche Rückverweise, doch wollen wir uns in unserer Artikelserie ausschließlich mit der Verleiblichung des Wortes behandeln.
Diese Schriften stellen im strengen Sinn eine Apologie des Christentums dar, insofern es einmal die charakteristische Zweiteilung der Apologie enthält: den Angriff auf die gegnerische Position und die Verteidigung der eigenen, sodann hat es auch die doppelte Bestimmung, einem bereits christlichen Leserkreis eine noch notwendige weitere Belehrung zu geben, um auch dem Christentum noch Fernstehende über die Wahrheit aufzuklären und für Christus zu gewinnen.
Die Autorschaft dieser doppelgliedrigen Apologie des Hl. Athanasios wurde vorübergehend mit ganz unzulässigen Gründen bezweifelt und bestritten, von einer besonnenen Kritik aber sichergestellt.
Entstanden ist das „Jugendwerk“ des Hl. Athanasios wohl vor dem Auftauchen der arianischen Streitigkeiten, jedenfalls vor dem Nizänum, mit ziemlicher Sicherheit ca. 320. Der alexandrinische Diakon wäre dann bei seiner Abfassung etwa 25 Jahre alt gewesen.
Mit diesen zwei Traktaten hat Athanasius zweifellos einen wertvollen Beitrag zur apologetischen Literatur geliefert. Mögen auch beide an Weitschweifigkeit und lästigen Wiederholungen leiden, gelegentlich auch wenig gelungene Bilder und Vergleiche bringen oder eine klare Gedankenabfolge missen lassen, - stilistisch gewertet, zählen sie doch zu den besten Arbeiten des Alexandriners, und sachlich betrachtet, mangelt ihnen kaum ein wesentliches apologetisches Beweismoment. „Über die Menschwerdung“ darf geradezu als „die klassische Darstellung der altkirchlichen Erlösungslehre“ bezeichnet werden.
Im Folgenden stellen wir einige Auszüge aus dem Traktat “Über die Menschwerdung” vor. Wir konzentrieren uns auf die Darstellung der “Verleiblichung des Wortes”, die Herabkunft des Sohnes Gottes in diese Welt und die damit verbundene Erlösung des Menschengeschlechtes. Am Ende seiner Abhandlung schrieb der Hl. Athanasios:
Diese kurze Abhandlung sei dir, Freund Christi, als erster Entwurf und Abriß einer Glaubenslehre über Christus und seine göttliche Ankunft unter uns gewidmet! Du aber wirst diesen Anlass benützen, dich mit den biblischen Schriften zu befassen und ehrlichen Sinnes in sie dich vertiefen, um zum Verständnis ihres Inhalts zu gelangen und damit auch zu einer vollkommeneren und klareren Erkenntnis dessen, was wir gesagt haben …
Wir aber tradieren dir auch zu deinem Studium, was wir von den gotterleuchteten Lehrern gelernt haben, die auf das Schriftstudium sich verlegten und sogar Märtyrer für die Gottheit Christi geworden sind. Du wirst aber auch von seiner zweiten herrlichen und wahrhaft göttlichen Ankunft bei uns Kenntnis erhalten, wann er nicht mehr in Niedrigkeit kommt, sondern in seiner Herrlichkeit, nicht mehr in Demut, sondern in seiner Majestät, nicht mehr, um zu leiden, sondern um dann allen die Frucht seines Kreuzes mitzuteilen, nämlich die Auferstehung und die Unverweslichkeit. Auch wird er nicht mehr gerichtet; vielmehr richtet er alle, einen jeden nach dem Guten oder Bösen, das er mit seinem Leibe getan hat. Da ist den Guten das Himmelreich aufbehalten, den Übeltätern aber das ewige Feuer und die äußerste Finsternis. Denn so spricht der Herr selbst: „Ich sage euch: von nun an werdet ihr den Menschensohn zur Rechten der Kraft sitzen und auf den Wolken des Himmels kommen sehen, in der Herrlichkeit des Vaters“. Darum lautet auch ein heilsames Wort, das uns auf jenen Tag vorbereiten will: „Seid bereit und wacht; denn er kommt zu einer Stunde, die ihr nicht kennt“. Denn nach dem seligen Paulus „müssen wir alle vor dem Richterstuhl Christi erscheinen, damit ein jeder empfange, was er in seinem Leibe Gutes oder Böses getan hat“.
Aber zum Studium und wahren Verständnis der Schriften hin bedarf es noch eines guten Lebenswandels, eines reinen Herzens und der christlichen Tugend, damit der Geist auf diesem Weg erlangen und erfassen kann, wonach er strebt, soweit überhaupt der Menschennatur ein Wissen über Gott, das Wort erreichbar ist. Denn ohne reinen Sinn und Nachahmung des Lebens der Heiligen kann wohl niemand die Sprache der Heiligen verstehen. So muss der, welcher die Gedanken der Gottesgelehrten verstehen will, seine Seele im Leben zuvor abwaschen und reinigen und durch gleichartige Handlungen den Heiligen selbst nahekommen, damit er durch einen gleichen Lebenswandel mit ihnen verbunden auch das verstehe, was diesen von Gott geoffenbart worden, und, von nun an gleichsam mit diesen vereint, der den Sündern drohenden Gefahr und ihrem Feuer am Tage des Gerichtes entrinne und das erlange, was den Heiligen im Himmelreich hinterlegt ist, „was kein Auge gesehen, kein Ohr gehört hat und in keines Menschen Herz gedrungen ist“, was alles denen bereitet ist, die tugendhaft leben und Gott und den Vater lieben in Christus Jesus, unserem Herrn, durch den und mit dem dem Vater selbst mit dem Sohne im Heiligen Geiste Ehre, Macht und Herrlichkeit sei von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen!