Das Gleichnis vom reichen Mann und vom armen Lazarus

4. November 2023

Bischof Mitrofan

Das “Gleichnis vom reichen Mann und vom armen Lazarus” nimmt einen besonderen Platz unter allen Gleichnissen im Hl. Evangelium ein. Es ist bemerkenswert, weil es durch seine Sinnbilder den Schleier lüftet, der über dem Leben nach dem Tod des Menschen liegt.

Zunächst erzählt dieses Gleichnis über das menschliche Leben hier auf der Erde in seinen verschiedenen Facetten. Der reiche Mann im Gleichnis verkörpert diejenigen, die selbstsüchtig irdische Güter nutzen und überhaupt nicht an die Unglücklichen, die Mittellosen denken, also an jene, die Gottes Gebote in ihrem Leben ablehnen, entweder aus Unglauben oder aus Unwissenheit.

Der leidgeprüfte Hiob sagte über diese Menschen folgendes: "Sie sagen zu Gott: Geh weg von uns, wir wollen deine Wege nicht kennen. Was nützt es dem Allmächtigen, ihm zu dienen? Und was nützt es, sich an ihn zu wenden?"

Der Bettler Lazarus verkörpert die leidenden, oft der notwendigsten irdischen Güter beraubten Menschen, die Armen und Kranken. Wie der gerechte, langmütige Hiob mag Lazarus in seiner Seele über die Ursache seines Leidens gezweifelt haben, aber er murrte nie gegen den Allmächtigen, sondern trug sein Lebenskreuz still, geduldig und in Demut.

Und siehe, der reiche Mann starb und wurde begraben; der arme Mann starb auch und dieser wurde in "Abrahams Schoß" getragen … In symbolischen Bildern offenbart der Herr im weiteren Verlauf des Gleichnisses das Geheimnis des Schicksals und der jenseitigen Beziehungen von Gerechten und Ungerechten. Die einen werden von Engeln in "Abrahams Schoß" begleitet, die anderen steigen hinab zum Ort der Qualen, zur "Hölle".

Was ist der "Schoß Abrahams"? Es ist das Gegenteil von "Hölle". "Abrahams Schoß" ist, so könnte man sagen, ein Symbol für die Vorhut des Reiches Gottes, während "Hölle" die Vorhut der ewigen Verdammnis, der "äußersten Finsternis" ist. Das Gleichnis vom "reichen Mann und vom armen Lazarus" deutet darauf hin, dass das "Jenseits", auf Hebräisch "Scheol", sowohl die Vorpforte des Reiches Gottes als auch die Vorpforte der "ewigen Verdammnis" umfasst. "In meines Vaters Haus sind viele Wohnungen", sagt Christus. Zwischen diesen beiden Wohnungen - dem Vorraum des Reiches Gottes und dem Vorraum der "äußeren Finsternis" - "ist eine große Kluft aufgerichtet", sodass, wie Abraham zu dem leidenden Reichen sagt, "die, die von hier zu dir hinübergehen, auch nicht von dort zu uns hinübergehen können." Die Toten aber sehen einander, aber die Hilfe des einen für den anderen ist dann nicht mehr möglich.

Das Gleichnis zeigt, dass die Toten nicht von ihren Lieben getrennt sind, die auf der Erde bleiben: Der reiche Mann ist besorgt um seine bösen Brüder, er fürchtet, dass auch sie an diesen Ort der Qual kommen werden. Er bittet Abraham, Lazarus in das Land zu schicken, damit Lazarus seine Brüder erleuchtet. "Sie haben Mose und die Propheten, sie haben das Wort Gottes, sie sollen auf Ihn hören", antwortet Abraham dem reichen Mann, doch “wenn sie nicht auf Mose und die Propheten hören”, dann werden sie auch nicht Dem glauben, Der von den Toten auferstanden ist.

Hören wir nicht auch in unserer Zeit aus dem Munde der Ungläubigen: Wir würden an Gott und das ewige Leben glauben, wenn ein offensichtliches Wunder vor unseren Augen geschehen würde. Das sagen Menschen mit einem arglistigen Verstand! Kein Wunder kann den Glauben und die Liebe zum Schöpfer in das Herz des Menschen einflößen. Der Glaube wird durch ein reines Herz und das Wort Gottes geweckt, nicht durch das Sehen eines Wunders. Wenn ein Mensch mit arglistigem Verstand und unreinem Herzen ein Wunder sieht, wird er immer sagen: "Es ist eine Täuschung der Augen", oder "es ist eine Täuschung der Sinne", oder "es scheint nur so".

Damit wir im Jenseits nicht das Schicksal des reichen Mannes teilen, belehrt uns der Herr mit folgenden Worten: "Forscht in den Schriften, denn ihr denkt ja, dass ihr durch sie das ewige Leben habt. Aber sie zeugen von Mir.” Diese Aussage Christi bleibt unumstößlich für alle, die Gott aufrichtig suchen und ein sinnerfülltes Leben anstreben. Amen.

Aufrufe: 647
Ratings: 0/5
Votes: 0
Mehr zum thema
Artikel zum Thema
Comment