6. Richtiges Beten
Diese Gedanken haben eine direkte Beziehung zum Verständnis einer sehr wichtigen christlichen Tätigkeit: dem Gebet. Wie alle Heiligen sagt auch der Heilige Ignatij: “Das Gebet ist die Mutter der Tugenden und die Tür zu allen geistlichen Gaben." und weist damit nachdrücklich auf die Bedingungen hin, die erfüllt sein müssen, um das Gebet die Mutter der Tugenden sein zu lassen. Ein Verstoß gegen diese Bedingungen macht das Gebet bestenfalls unfruchtbar, häufiger aber wird es für den Asketen zum Instrument seines Absturzes. Einige dieser Bedingungen sind wohlbekannt. Wer anderen nicht vergibt, dem wird auch selbst nicht vergeben. “Wer nur mit den Lippen betet, aber sein Herz nicht beachtet, betet in die Luft und nicht zu Gott. Er müht sich vergeblich, denn Gott achtet auf den Verstand und das Herz und nicht auf viele Worte.” sagt Priestermönch Dorofej, ein russischer Asket, vor dem der heilige Ignatij großen Respekt hatte. Der heilige Ignatij legt jedoch besonderes Augenmerk auf die Bedingungen für das Jesus-Gebet. In Anbetracht seiner großen Bedeutung für jeden Christen bringen wir hier einen kurzen Auszug aus dem bemerkenswerten Artikel des heiligen Ignatij: “Über das Jesusgebet: Gespräch mit einem Schüler”. “Bei der Ausübung des Jesusgebetes gibt es einen Anfang, ein allmähliches Fortschreiten und sein endloses Ende. Es ist notwendig, die Übung vom Anfang her zu beginnen und nicht in der Mitte oder am Ende. ....
Diejenigen, die in der Mitte beginnen, sind jene Novizen, die die Anweisungen der hesychastischen Väter gelesen haben und diese Unterweisung als Leitfaden für ihre Tätigkeit annehmen, ohne sie zu durchdenken.
In der Mitte beginnen jene, die ohne jegliche Vorbereitung versuchen, ihren Geist in den Tempel des Herzens zu zwingen und von dort aus Gebete zu senden. Sie beginnen am Ende und versuchen, in sich selbst schnell die gnadenerfüllte Süße des Gebets und seiner anderen gnadenerfüllten Handlungen in sich zu entfalten.
Man sollte am Anfang beginnen, das heißt, mit Aufmerksamkeit und Ehrfurcht beten, mit dem Ziel der Reue, wobei man nur darauf achtet, dass diese drei Qualitäten ständig beim Gebet anwesend sein sollten. Es sollte mit größter Sorgfalt darauf geachtet werden, die Moral in Übereinstimmung mit den Lehren der Evangelien zu entfalten, um so den immateriellen Tempel des gottgefälligen Gebets aufzubauen. Ein Haus, das auf Sand gebaut ist, bedeutet vergebliche Mühe. Sand ist die einfache Moral, die erschüttert werden kann.”
Aus diesem Zitat geht hervor, wie aufmerksam und ehrfürchtig man mit dem Jesusgebet umgehen muss. Es sollte nicht irgendwie gebetet werden, sondern richtig. Andernfalls hört seine Praxis nicht nur auf, Gebet zu sein, sondern es kann sogar denjenigen zerstören, der es praktiziert. In einem seiner Briefe spricht der heilige Ignatij darüber, wie die Seele während des Gebetes beschaffen sein sollte: “Heute las ich den Spruch des heiligen Sisoes des Großen, der immer meinem Herzen entsprochen hat. Ein gewisser Mönch sagte zu ihm: Ich bleibe in ständigem Gedenken an Gott. Der heilige Sisoes antwortete ihm: Das ist nicht groß; es wird groß sein, wenn du dich für schlechter als alle Geschöpfe hälst. Das unaufhörliche Gedenken an Gott ist eine große Sache!” Der heilige Ignatij fährt fort. “Aber dies ist eine sehr gefährliche Höhe, wenn die Leiter, die zu ihr führt, nicht auf dem Felsen der Demut feststeht".
In diesem Zusammenhang ist anzumerken, dass das Zeichen eines unablässigen und selbsttätigen Jesusgebetes keineswegs ein Zeichen dafür ist, dass das Gebet von Gnade erfüllt ist, denn [solche Eigenschaften] garantieren nicht immer, dass es von Gnade erfüllt ist.
Das Ergebnis und der Zweck des geistlichen Kampfes sind nämlich die Erlangung der vollkommenen Demut wird [in diesem Fall] ersetzt durch ein [Zwischen-]Ziel: die Erlangung des unablässigen und selbsttätigen Jesus-Gebet, das ... nicht das Endziel ist, sondern nur ein Mittel zur Erreichung dieses Ziels ist.